Hans Brömser von Rüdesheim
Ritter (1196 - 1237)
Als Kaiser Konrad seinen Kreuzzug unternahm, da scharten um ihn sich auch viele edle Herren vom Rhein, so auf Sternfels und Liebenstein, auf Spanheim und Greifenklau wohnten und danach ihre Namen führten. Auch Hans Brömser von Rüdesheim schloß sich ihnen an.
Die meisten dieser Ritter hatten schon in der Heimat bei Turnier und Lanzenstechen sich Ruhm erworben, weshalb sie dann auch auf der Reise sich tapfer durchschlugen und, durch Verräter in den Taurus geführt, selbst von Hunger und Durst nicht überwältigt werden konnten. Endlich standen sie vor Damaskus, und schon der Klang ihres Streithorns soll die Sarazenen zittern gemacht haben.
Dennoch waren die Erfolge dieses Kreuzzuges nicht glänzend. Als die rheinischen Ritter erkannten, daß sie selbst, indem sie ihre Schuldigkeit im höchsten Maße thaten, nicht viel ausrichteten, gaben sie sich nach und nach ihren Träumereien hin, und einige hatten sogar Erscheinungen, welche ihnen zeigten, wie sie auch in der Heimat einen überaus gottseligen Lebenswandel führen könnten, wobei sie natürlich nur an ein Einsiedlerleben und an den Stand der Mönche gedachten. Wirklich vertauschten dann auch mehrere der Ritter nach der Heimkehr das Stahlgewand mit der Mönchskutte und [74] beschlossen ihr Leben in ihrer Art glücklich und zufrieden hie und da in einer stillen Klause am Rhein.
Hans Brömser gehörte nicht zu den Rittern, die sich in eine bemooste Waldzelle am Rheine sehnten, sondern er sehnte sich bloß nach seinem Weinkeller auf dem Brömserhofe zu Rüdesheim. Als er aber auf der Heimreise einst im Nachtrabe dahinritt, wurde er noch von den Sarazenen gefangen genommen und in den Kerker geworfen.
Hans Brömser betete nun inbrünstiglich, daß Gott ihn möge aus dem Kerker befreien; er gelobte ein Kirchlein neben seiner Burg zu bauen, sobald er wieder zu seinem Weibe und seinen Kindern gelangt sein würde.
Als er dieses Gelübde gethan hatte, sah er dicht neben sich in einen Winkel seines Kerkers und erblickte eine scharfe Feile, mit welcher er augenblicklich seine Ketten lösen konnte. Dadurch wurde er frei, denn als er an die Thür des Kerkers ging, fand er, daß sie offen war. Mochte nun aber ein Wunder geschehen sein infolge seines Gebetes und seines Gelübdes oder waltete bloß der Zufall so ungemein zu seinen Gunsten: genug, als er auf den Hof kam, stand auch sein Pferd gesattelt da und seine Damascenerklinge nebst dem Kreuzschilde lag daneben.
Brömser trabte nun rasch davon. Ein Luftzug erfrischte ihn an dem rötlichen Morgen unter den Palmen und der leichtfertige Mann vergaß ein Dankgebet gen Himmel zu senden. Wohl aber gedachte er an die vollen Humpen mit Rüdesheimer Weine, von denen er nach seiner Heimkehr einen nach dem andern leeren wollte.
Als er diesen Gedanken schon etwas länger als billig war nachgehangen hatte, da verschwanden plötzlich die Palmen und bald mußte er in einen dunklen Eichenwald hineinreiten. Bei dem Grauen, das derselbe in ihm erregte, verfinsterten sich zwar seine Gedanken wieder etwas, doch fiel ihm noch immer nicht ein, daß er sein Dankgebet vergessen hatte. Da kam er plötzlich an eine schauerliche Höhle, aus welcher ein scheußlicher Drache hervorsprang. Diesen hätte nun zwar der Ritter mit der trefflichen Klinge, die er in Damaskus gekauft hatte, wohl nicht überwinden können, denn der Drache umzingelte Hans Brömser samt seinem Rosse und der Damaszenerklinge. Doch Hans Brömser stieß ihm endlich seinen Kreuzschild in den geöffneten [75] Rachen, und da lag das Tier wie ein großer zertretener Wurm tot am Wege.
In dem Kampfe mit dem Drachen zeigte sich nun freilich deutlich genug, daß Brömser nicht ohne Wunder und unmittelbare Eingriffe der Gottheit gerettet worden war. Er sandte endlich ein Dankgebet zu Gott und hatte bis zu seiner Heimkehr an den Rhein auf seinem Rößlein kaum einen anderen Gedanken als wie er eine stattliche Kapelle neben seiner Burg erbauen wolle, wo er sich dann vornahm stets recht andächtig in der Predigt und in der Messe zu sein.
So langte denn Brömser auch sehr glücklich in der Heimat an, begrüßte sein schönes Weib und seine lieblichen Kinder, überzeugte sich, daß von seinen Ackerknechten und Winzern nichts versäumt sei, um die Besitzung in gutem Stande zu erhalten, probte besonders die verschiedenen Jahrgänge des Rüdesheimers, der in seiner Abwesenheit gekeltert war, ging auf die Jagd, schoß Eber und Hirsche und vergaß sein Gelübde, neben seiner Burg ein Kirchlein zu erbauen.
Einst zog einer seiner Knechte vom Burghofe aus mit einem Wäglein, vor dem ein einziger Ochse langsamen Schrittes einherging. Da erscholl aus dem Gebüsche eine Stimme, die rief: „Not Gottes!“ Der Knecht sah nach der Richtung hin, aus welcher der Ruf herkam, und derselbe wurde während er suchte noch zweimal wiederholt. So gelangte er mit seinem Gespanne vor eine hohle Eiche, worin sich ein Bild befand, welches Christus am Ölberge darstellte, und vor dem der Ochse in die Kniee sank.
Der Knecht nahm das Bild bei seiner Heimkehr mit auf die Burg, schenkte es aber auf dem Schloßhofe Brömsers kleinen Söhnen zum spielen.
Am andern Tage fuhr derselbe Knecht mit dem Ochsen in den Wald. Als er nach der Burg zurückkehrte, hörte er wieder dreimal den Ruf: „Not Gottes.“ Er fuhr mit seinem Gespanne wieder dem Rufe nach und gelangte diesmal von einer ganz andern Seite her abermals zu der hohlen Eiche. Das Tier fiel wieder in die Kniee vor dem heiligen Baume. In der Eiche fand der Knecht dasselbe Gemälde Christus am Ölberge, welches die Kinder auf dem Burghofe hatten liegen lassen, von wo es von selbst in die hohle Eiche zurückgekehrt war.
[76] Diesmal trug der Knecht das Bild selbst zu dem Burgherrn. Dieser sahe darin eine Mahnung an sein im Morgenlande gethanes Gelübde und baute die Kapelle neben dem Berge.
Der Name Brömser ist durch Brömsers Hof in Rüdesheim erhalten.
Quellen: 74, 75 und 76 Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten